Das Simulationsargument

Das Simulationsargument von Nick Bostrom ist bestechend einfach und klar formuliert. Es versucht nicht zu beweisen, dass wir in einer Simulation leben, sondern formuliert stattdessen elegant drei Möglichkeiten, von denen eine wahr sein muss. Auch Elon Musk vertritt eine ähnliche These, wodurch die Idee einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Das offizielle Paper ist dabei schon über 14 Jahre alt und ebenso viele Seiten kurz. Dabei ist die zentrale Aussage leicht verständlich und kompakt.


Zunächst werden folgende Symbole eingeführt:

  • \(f_P\): Bruchteil menschlicher Zivilisationen, die überleben und ein posthumanes Stadium erreichen
  • \(f_I\): Bruchteil menschlicher Zivilisationen, die an Ahnensimulationen interessiert sind
  • \(f_{sim}\): Bruchteil menschlicher Zivilisationen, die in Ahnensimulationen leben
  • \(\overline{H}\): Durchschnittliche Anzahl an Personen, die in einer vor-posthumanen Zivilisation leben
  • \(\overline{N_I}\): Durchschnittliche Anzahl an Ahnensimulationen, die von einer posthumanen Zivilisation durchgeführt werden, die Interesse an Ahnensimulationen hat

Dann ist:

  • \(f_I \cdot \overline{N_I}\): Durchschnittliche Anzahl an Ahnensimulationen, die von einer posthumanen Zivilisation durchgeführt werden
  • \(f_P \cdot \overline{H}\): Durchschnittliche Anzahl an Personen, die ein posthumanes Stadium erreicht haben
  • \(f_P \cdot \overline{H} \cdot f_I \cdot \overline{N_I}\): Durchschnittliche Anzahl an Personen in Ahnensimulationen (man simuliert nämlich genau den Bruchteil \(f_P \cdot \overline{H}\))
  • \(f_P \cdot \overline{H} \cdot f_I \cdot \overline{N_I} +
    \overline{H}\)
    : Durchschnittliche Anzahl Personen, die entweder in Ahnensimulationen oder in einer vor-posthumanen Zivilisation leben

Nun entspricht der Quotient der letzten beiden Terme genau dem Bruchteil an Personen, die in Simulationen leben:

$$f_{sim} = \frac{f_P \cdot \overline{H} \cdot f_I \cdot \overline{N_I}}{f_P \cdot \overline{H} \cdot f_I \cdot \overline{N_I} + \overline{H}}$$

Wir klammern \(\overline{H}\) aus und kürzen (das ist auch der Kern des Arguments):

$$f_{sim} = \frac{f_P \cdot f_I \cdot \overline{N_I}}{f_P \cdot f_I \cdot \overline{N_I} + 1}$$

Bostrom setzt nun ein extrem großes \(\overline{N_I}\) voraus, was er mit dem exponentiellen, technologischen Fortschritt auf Grundlage von konservativen Schätzungen begründet.

Damit ergeben sich folgende Fälle:

  1. Fall: \(f_P \approx 0\)
    • a) \(f_I \approx 0 \Rightarrow f_{sim} \approx 0\)
    • b) \(f_I > \epsilon \approx 0 \Rightarrow f_{sim} \approx 0\)
  2. Fall: \(f_P > \epsilon \approx 0\)
    • a) \(f_I \approx 0 \Rightarrow f_{sim} \approx 0\)
    • b) \(f_I > \epsilon \approx 0 \Rightarrow f_{sim} \approx 1\)

Zusammenfassend ist somit mindestens einer der folgenden drei Fälle erfüllt:

  • \(f_P \approx 0\): Die Menschheit stirbt aus, bevor ein posthumanes Stadium erreicht wurde
  • \(f_I \approx 0\): Keine posthumane Zivilisation ist an Ahnensimulationen interessiert
  • \(f_{sim} \approx 1\): Die Simulationshypothese: Wir leben in einer Ahnensimulationen

Um die Wahrscheinlichkeit von \(f_{sim} \approx 1\) zu erhöhen (die Bostrom mit ungefähr \(\frac{1}{3}\) angibt), können wir zukünftig durch Beobachtung auch die anderen Wahrscheinlichkeiten für \(f_P \approx 0\) und \(f_I \approx 0\) reduzieren.

Ist nun die Simulationshypothese war, gilt: Da \(f_{sim} \approx 1 \neq 1\) ist, schließt dieser Fall nicht aus, dass wir (oder unsere Nachfahren) in der Menge \(\overline{H}\) sind und beispielsweise zu den ersten Personen gehören, die Ahnensimulationen durchführen. Der springende Punkt ist jedoch, dass dies extrem unwahrscheinlich ist. Wenn wir also jetzt nicht in einer Simulation leben, werden unsere Nachkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals eine Ahnensimulation durchführen.

Eine Voraussetzung liegt für Bostrom in der sog. Substratunabhängigkeit (d.h. Bewusstsein kann nicht nur in kohlenstoffbasierten, biologischen neuronalen Netzwerken im Gehirn implementiert werden, sondern auch auf Siliziumbasis in einem Computer). Auch interessant: Unabhängig von der Idee (und zu keiner Zeit Voraussetzung) ist die Möglichkeit von Simulationen in Simulationen (mit beliebig hoher Verschachtelungstiefe).

Nach meinem Dafürhalten lässt sich die Bedeutung der Wahrheit der Simulationshypothese für unser Leben unter dem Motto „Who cares?“ zusammenfassen – ein faszinierender Beweis ist das Simulationsargument aber allemal.

An dieser Stelle seien auch die anderen spannenden Arbeiten von Nick Bostrom zum Sleeping Beauty Problem, zum Doomsday-Argument sowie generell zur Self-indication assumption erwähnt.

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